Martin Ziegelmüller - „Der alte
Maler“ Notizen 2008-2018
"Solange ich male, so lange habe ich auch meine Notizen zur Malerei
geschrieben." Das notiert Martin Ziegelmüller beinahe lapidar oder
als Selbstverständlichkeit - und umspannt so eine mehr als
60-jährige Erfahrung. Nach Der Maler auf seinem Drehstuhl - Bilder
und Texte (Frauenfeld 2001) und Der Maler - Le peintre. Biografische
Notizen, Texte und Bilder - Notes biographiques, textes et tableaux
(Frauenfeld 2005) liegt nun ein dritter Band mit Aufzeichnungen vor,
thematischen und chronologischen. Er umfasst zehn Jahre, 2008 bis
2018. Wiederum wird er einer Anforderung eines andern schreibenden
Malers gerecht: Eugène Delacroix schrieb von 1847 bis zu seinem Tod
1863 intensiv an seinem Journal. Eine Notiz lautet: "Soll doch ein
Mann von Talent, der Gedanken über die Künste festhalten will, sie
so niederschreiben, wie sie ihm kommen; soll er doch nicht fürchten,
sich zu widersprechen; inmitten der Überfülle seiner Gedanken, mögen
sie selbst widersprüchlich sein, wird man mehr Früchte ernten als in
dem glattgekämmten, eng gewirkten, zurechtgestutzten Gewebe, in dem
ihn die Form beschäftigt hat."
Die Notizen Ziegelmüllers, von Hand auf lose Blätter geschrieben und
in einem Ordner gesammelt, sind in eben dieser Weise eine
Fortsetzung der Atelier-Arbeit. Die Notizen sind eine
Denk-Werkstatt; die gesammelten Texte sind ein Merkbuch im doppelten
Sinne: sie schärfen die Aufmerksamkeit und halten fest, was die
Erfahrung weitertreibt. So spontan die Texte entstehen als Reflexion
der Arbeit an der Staffelei, so sehr ist es dem Künstler wichtig,
die Notate immer wieder zu überarbeiten und zu ergänzen. Derart
ergibt sich eine (selbstkritische) Wechselwirkung: Hat er etwas
schriftlich, auch gedanklich erfasst, geht er wieder ins Atelier und
schaut sich seine Bilder mit neuen Augen an, manchmal gleich am
nächsten Tag, manchmal Wochen oder gar Jahre später.
Ziegelmüller ist ein begeisterter Schreiber, der das Handwerk auch
in diesen Belangen beherrscht. Er ist angetrieben von seiner
Diskussionslust, deshalb liebt er klare Formulierungen. Aber er
liebt es auch, gewissermassen malerisch, Tönungen und Nuancen
herauszuarbeiten.
Konrad Tobler |